Staatsstreich in Tunesien
Re: Staatsstreich in Tunesien
Zum Thema ein Interview mit dem Journalisten Sofian Philip Naceur
Cira Report: Was geschieht in Tunesien ?
Staatskrise oder Verfassungskrise ?
https://www.youtube.com/watch?v=-1ewwD9 ... Mo&index=2
Cira Report: Was geschieht in Tunesien ?
Staatskrise oder Verfassungskrise ?
https://www.youtube.com/watch?v=-1ewwD9 ... Mo&index=2
Re: Staatsstreich in Tunesien
Wie der Präsident Tunesien ankündigte, sollen die ergriffenen Maßnahmen weiterhin gültig gültig bleiben (Aussetzung des Parlamentes etc.).
- Ab nun sollen nur die Verfassungsartikel gültig bleiben, die nicht dem von ihm verkündeten Ausnahmezustand entgegenstehen - mit anderen Worten: die Verfassung bleibt nur im von ihm als angemessen bzw. brauchbar gehaltenen Umfange gültig.
- Die Kommission für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verfassungsartikeln wird aufgelöst.
- Der Präsident wird, mit Hilfe einer von ihm ernannten Kommission, neue Verfassungsartikel und Änderungen der bisherigen erstellen.
- Über die Verfassung soll dann von der Bevölkerung direkt oder über gewählte Vertreter abgestimmt werden.
- Bis da hin werden alle Gesetze etc. per Dekret des Präsidenten und ohne Beteiligung von Parlament oder Prüfung auf Übereinstimmung mit der Verfassung erlassen.
- Die neue Verfassung soll, so die ausgesprochene Absicht, demokratischen Prinzipen entsprechen und Menschenrechte beachten und insbesondere die Ziele des Aufstandes von 2010, namentlich Arbeit, Freiheit und die nationale Würde Tunesiens, reflektieren.
In ersten Reaktionen sprachen sich Politiker einiger Parteien (z.B. EnNahdha, Qalb, Attayar) gegen diese Verfahren aus und sprachen davon, daß wohl nunmehr gegen den Staatsstreich vorgegangen werden müßte.
Bemerkenswert der Kommentar des früheren Gesundheitsministers, dessen Entlassung mit einer der Gründe für den Putsch gewesen ist, er sagte, daß dies bestätigen würde, daß es am 25.Juli (Tag des Staatsstreichs) nicht um Gefahren ökonomischer Art gegangen sei, sondern daß es nun klar werdem daß der einzige Beweggrund des Präsidenten der gewesen sei, die Macht zu ergreifen und den Staat nach seinen Vorstellungen umzugestalten.
- Ab nun sollen nur die Verfassungsartikel gültig bleiben, die nicht dem von ihm verkündeten Ausnahmezustand entgegenstehen - mit anderen Worten: die Verfassung bleibt nur im von ihm als angemessen bzw. brauchbar gehaltenen Umfange gültig.
- Die Kommission für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verfassungsartikeln wird aufgelöst.
- Der Präsident wird, mit Hilfe einer von ihm ernannten Kommission, neue Verfassungsartikel und Änderungen der bisherigen erstellen.
- Über die Verfassung soll dann von der Bevölkerung direkt oder über gewählte Vertreter abgestimmt werden.
- Bis da hin werden alle Gesetze etc. per Dekret des Präsidenten und ohne Beteiligung von Parlament oder Prüfung auf Übereinstimmung mit der Verfassung erlassen.
- Die neue Verfassung soll, so die ausgesprochene Absicht, demokratischen Prinzipen entsprechen und Menschenrechte beachten und insbesondere die Ziele des Aufstandes von 2010, namentlich Arbeit, Freiheit und die nationale Würde Tunesiens, reflektieren.
In ersten Reaktionen sprachen sich Politiker einiger Parteien (z.B. EnNahdha, Qalb, Attayar) gegen diese Verfahren aus und sprachen davon, daß wohl nunmehr gegen den Staatsstreich vorgegangen werden müßte.
Bemerkenswert der Kommentar des früheren Gesundheitsministers, dessen Entlassung mit einer der Gründe für den Putsch gewesen ist, er sagte, daß dies bestätigen würde, daß es am 25.Juli (Tag des Staatsstreichs) nicht um Gefahren ökonomischer Art gegangen sei, sondern daß es nun klar werdem daß der einzige Beweggrund des Präsidenten der gewesen sei, die Macht zu ergreifen und den Staat nach seinen Vorstellungen umzugestalten.
Re: Staatsstreich in Tunesien
Eine Gruppe von Parteien, "Vorwärts Tunesien", Echaab, Al Baath, die "Allianz für Tunesien" und die Nationalistisch-sozialdemokratische Partei haben in einer gemeinsamen Erklärung die Unterstützung des Präsidenten zum Ausdruck gebracht.
Re: Staatsstreich in Tunesien
Der tunesische Präsident hat heute eine Regierungchefin als erste weiblichen Premierministerin in der Geschichte Tunesiens ernannt und sie mit der Bildung einer Regierung beauftragt.
Die neue Premierministerin heißt Najla Bouden Romdhane, ist 1958 in der Gegend von Kairouan geboren worden, und sie ist eine Professorin der Geophysik an der Nationalen Ingenieursschule Tunesiens (ENIT), sie arbeitete zuletzt an der Implementation von Weltbankprogrammen im Erziehungsministerium Tunesiens und als Direktorin für Qualitätssicherung ebendort.
Die Ernennung einer Frau als Premierministerin Tunesiens wird in ersten Reaktionen durchgängig als positiv beurteilt. Einige Stimmen stellen heraus, daß sie wenig bis keine politische Erfahrung und keine Qualifikationen zur Adressierung der gegenwärtigen Probleme Tunesiens, namentlich wirtschaftlicher und sozialer Art, besitzt und ihre Ernennung wohl hauptsächlich der persönlicher Bekanntheit mit dem Präsidenten verdankt. Ein Politiker sagte, daß die Ernennung einer Frau gut sei, die Ernennung einer kompetenten Person jedoch noch besser.
Einig sind sich fast alle Kommentatoren, daß die Premierministerin und die Regierung nur bloße Ausführungsorgane des Präsidenten sein werden und daß sich nicht zuletzt aus diesem Grund wohl auch keine bedeutenden Persönlichkeiten für diese Aufgaben zur Verfügung stellen wollen.
Die neue Premierministerin heißt Najla Bouden Romdhane, ist 1958 in der Gegend von Kairouan geboren worden, und sie ist eine Professorin der Geophysik an der Nationalen Ingenieursschule Tunesiens (ENIT), sie arbeitete zuletzt an der Implementation von Weltbankprogrammen im Erziehungsministerium Tunesiens und als Direktorin für Qualitätssicherung ebendort.
Die Ernennung einer Frau als Premierministerin Tunesiens wird in ersten Reaktionen durchgängig als positiv beurteilt. Einige Stimmen stellen heraus, daß sie wenig bis keine politische Erfahrung und keine Qualifikationen zur Adressierung der gegenwärtigen Probleme Tunesiens, namentlich wirtschaftlicher und sozialer Art, besitzt und ihre Ernennung wohl hauptsächlich der persönlicher Bekanntheit mit dem Präsidenten verdankt. Ein Politiker sagte, daß die Ernennung einer Frau gut sei, die Ernennung einer kompetenten Person jedoch noch besser.
Einig sind sich fast alle Kommentatoren, daß die Premierministerin und die Regierung nur bloße Ausführungsorgane des Präsidenten sein werden und daß sich nicht zuletzt aus diesem Grund wohl auch keine bedeutenden Persönlichkeiten für diese Aufgaben zur Verfügung stellen wollen.
Re: Staatsstreich in Tunesien
Die Neue Zürcher Zeitung berichtet: https://www.nzz.ch/international/staats ... ld.1637958
Re: Staatsstreich in Tunesien
Heute hat der Staatspräsident per Dekret eine neue Regierung eingesetzt und beendet damit eine mehrmonatige "regierungslose" Zeit in Tunesien.
Die neuen Minister sind, bis auf wenige Ausnahmen, Universitätslehrer, alle haben einen akademischen Abschluß. Nach einer ersten Durchsicht würde ich die neue Regierung als "Scientokratie" beurteilen, also als Herrschaft der Wissenschaftler. Jedes Mitglied scheint qualifiziert für seinen Bereich zu sein, keines hat einen Politiker-Lebenslauf, fast allen fehlen jedoch Regierungserfahrung oder internationaler Ruf.
Ob der Blick aus dem Elfenbeinturm für die Überwindung der Probleme Tunesiens ausreicht, das wird man sehen, das theoretische Rüstzeug ist jedenfalls vorhanden, politische Befindlichkeiten spielen offensichtlich keine Rolle und so gut wie alle Gesichter sind "neu".
Natürlich, alle Regierungsmitglieder sind Minister von Staatspräsidents' Gnaden und können von ihm jederzeit ersetzt werden. Ihre Aufgabe besteht allein darin, seine Sicht des Staates umzusetzen.
Warten wir es ab, ob, und wie gut, sich diese Konstruktion der Regierung eignet, die Probleme Tunesiens zu lösen und langfristig wieder zu einem demokratischen Staatsverständnis zurückzukehren.
Die neuen Minister sind, bis auf wenige Ausnahmen, Universitätslehrer, alle haben einen akademischen Abschluß. Nach einer ersten Durchsicht würde ich die neue Regierung als "Scientokratie" beurteilen, also als Herrschaft der Wissenschaftler. Jedes Mitglied scheint qualifiziert für seinen Bereich zu sein, keines hat einen Politiker-Lebenslauf, fast allen fehlen jedoch Regierungserfahrung oder internationaler Ruf.
Ob der Blick aus dem Elfenbeinturm für die Überwindung der Probleme Tunesiens ausreicht, das wird man sehen, das theoretische Rüstzeug ist jedenfalls vorhanden, politische Befindlichkeiten spielen offensichtlich keine Rolle und so gut wie alle Gesichter sind "neu".
Natürlich, alle Regierungsmitglieder sind Minister von Staatspräsidents' Gnaden und können von ihm jederzeit ersetzt werden. Ihre Aufgabe besteht allein darin, seine Sicht des Staates umzusetzen.
Warten wir es ab, ob, und wie gut, sich diese Konstruktion der Regierung eignet, die Probleme Tunesiens zu lösen und langfristig wieder zu einem demokratischen Staatsverständnis zurückzukehren.
Re: Staatsstreich in Tunesien
Der Staatspräsident hat nun das (sowieso handlungsunfähige) Parlament ganz aufgelöst.
Hintergrund ist, daß die Abgeordneten, denen der Zutritt zum Parlament ja seit fast einem Jahr verweigert wird, eine "online"-Sitzung abgehalten hatten und darin für ein Ende der vom Präsidenten verkündeten "außerordentlichen Maßnahmen" gestimmt hatten (116 von 209 Stimmen dafür, also eine Mehrheit). Das erzürnte den Präsidenten so sehr, daß er die Abgeordneten jetzt wegen "Gefährdung des Staates" (sprich: seiner autokratischen Herrschaft) vor Gericht stellen will.
Hintergrund ist, daß die Abgeordneten, denen der Zutritt zum Parlament ja seit fast einem Jahr verweigert wird, eine "online"-Sitzung abgehalten hatten und darin für ein Ende der vom Präsidenten verkündeten "außerordentlichen Maßnahmen" gestimmt hatten (116 von 209 Stimmen dafür, also eine Mehrheit). Das erzürnte den Präsidenten so sehr, daß er die Abgeordneten jetzt wegen "Gefährdung des Staates" (sprich: seiner autokratischen Herrschaft) vor Gericht stellen will.