Wehrpflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit

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AbuAdam
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Wehrpflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit

Ungelesener Beitrag von AbuAdam »

Guten Tag.

Meine Frau ist Tunesierin, ich bin Deutscher, unser Söhnchen hat damit beide Staatsangehörigkeiten.

Meine Frau möchte dem Kleinen auch einen tunesischen Pass ausstellen lassen. Ich verstehe das natürlich. Ich habe aber irgendwo gelesen, dadurch bestehe die Gefahr, dass er im entsprechenden Alter zum Wehrdienst in Tunesien einberufen würde, weil damit seine Daten in Tunesien erfasst seien. Selbst bei Einreise mit deutschen Pass bestehe die Gefahr, dass man ihn in die Pflicht nähme.

Kann jemand zu diesem Thema Informationen beitragen?
Walter
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Re: Wehrpflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit

Ungelesener Beitrag von Walter »

Hallo AbuAdam, willkommen hier im Board.

Im allgemeinen wird auch ein Doppelstaatler zum Wehrdienst eingezogen.

Bitte einmal auf der Inet Seite - siehe Link, vorbeischauen und gegebenenfalls die offiziellen Stellen abfragen.
Viel Erfolg.

https://tunesien.tn/militaerdienst/
Walter
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Beiträge: 682
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Re: Wehrpflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit

Ungelesener Beitrag von Walter »

Hier ein Post von Rolf dem Forumsbetreiber.

Wehrdienst in Tunesien

von Rolf » 2020-08-19, 22:08

Die legale Seite ist diese:

1) Jeder männliche Tunesier muß zum Wehrdienst (1 Jahr Wehrdienst in Tunesien). Mit 18 Jahren muß er sich durch ein Schreiben bei der für seinen Wohnort (in Tunesien) zuständigen Behörde melden, mit 20 wird er gemustert und, wenn wehrfähig, dann einberufen. Lebt jemand nicht in Tunesien, so muß er die Meldung beim Konsulat des Wohnlandes vornehmen.
Der Grundwehrdienst dauert 3-6 Monate, die restliche Zeit wird in einer Stammeinheit verbracht, wobei die Ausbildung und Fähigkeiten des Wehrpflichtigen berücksichtigt werden sollen (ein Arzt zum medizinischen Dienst, ein Mechaniker zum Transportdienst, etc.).

2) Es gibt diverse Ausnahmen, was die Ableistung betrifft:

- Der Wehrpflichtige ist (außer Tunesier) Staatsbürger der Türkei oder von Algerien oder Frankreich. In diesen Fällen gilt der dort abgeleistete Wehrdienst als Erfüllung der Wehrpflicht auch in Tunesien.
- Der Wehrpflichtige ist unterhaltspflichtig für einen nachstehende Familienangehörigen UND seine Einberufung würde den Lebensunterhalt dieser Personen unmöglich machen: a) Ehefrau mit der er mehr als 2 Jahre verheiratet ist, b) eines oder mehrere eheliche Kinder, c) behinderte Bruder oder Schwester, d) Vater über 65 Jahre oder mehr als 60% erwerbsunfähig
- Der Wehrpflichtige ist älter als 35 Jahre
- Der Wehrpflichtige ist älter als 28 Jahre UND arbeitet UND lebt im Ausland (also nicht in Tunesien)

3) Dann gibt es noch die Möglichkeit, die Einberufung zum Wehrdienst zu verschieben, und zwar jeweils für ein Jahr, wenn ...

... ein Bruder bereits Dienst im Militär leistet
... er unterhaltspflichtig ist für einen nachstehenden Familienangehörigen UND seine Einberufung würde den Lebensunterhalt dieser Personen unmöglich machen: a) Vater aus Gesundheitsgründen zeitweise arbeitsunfähig, b) verwitwete oder geschiedene Mutter, c) unverheiratete Schwester, d) Bruder unter 20 in Schule oder Studium
... er sich in der Ausbildung in Tunesien oder einem anderen Land befindet

In Deinem konkreten Fall trifft wahrscheinlich keine dieser Ausnahmen zu, was hieße, daß sich Dein Sohn (und, übrigens, später auch sein Sohn, denn sein Sohn wird ja von ihm auch wieder automatisch die tunesische Staatsangehörigkeit erhalten...) tunlichst zwischen dem 20. und dem 28. bzw. 35. Lebensjahr aus Tunesien fernhalten sollte.
Wie Du schon richtig vermutest ist es in der Praxis unmöglich, die tunesische Staatsbürgerschaft abzulegen und der tunesische Staat scheint selbst in den eigentlich im Gesetz festgelegten Fällen (Wehrdienst für anderen Staat, Arbeit in einer Behörde eines anderen Staates, Verächtlichungmachung des tunesischen Staates, etc.) keinen Entzug vorzunehmen.

Ich gehe zwar davon aus, daß irgendwann auch ein Tunesier seine Staatsbürgerschaft loswerden kann, wenn er oder der Staat es will, doch ob das in einem Jahr, in zehn oder in 50 sein wird, das weiß man nicht - mittelfristig jedenfalls ist mir keine entsprechende Initiative bekannt, die das fordert (der tunesische Staat und die allermeisten Tunesier sind der Auffassung, daß es gut, gar am besten, ist, Tunesier zu sein ... es ist nur nicht gut, dort zu arbeiten).

Es bleibt somit bei dem Rat, den ich oben gegeben habe: Fernbleiben aus Tunesien zwischen dem 20. und 28. bzw. 35. Lebensjahr ... oder das Risiko eingehen, dort bei einem Urlaub geschnappt und zum Militär verbracht zu werden (wobei ich mir eine etwaige Ausbildung abenteuerlich vorstelle, wenn die Person nicht ein Wort tunesisch oder französisch spricht - wer weiß, ob die einen dann nicht nach ein paar Tagen gleich wieder nach Hause schicken...).

Zwar gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, sich gegen Zahlung vom Militärdienst freistellen zu lassen, doch dazu sollte man sich vor Ort beraten lassen, da die gewisse Voraussetzungen und Grade beinhaltet (zum Beruf ((der in Tunesien ausgeübt wird!?)), zu den trotzdem zu leistenden Grundausbildungs-Zeiten, zur Höhe des zu zahlenden Geldes) - rein persönlich halte ich allerdings nicht viel davon, ein solches "Lösegeld" an den tunesischen Staat "für nichts" zu zahlen, wenn es nicht unbedingt erforderlich wäre, sondern würde dann, wenn ich im Ausland wohnte, diesem Ziel eher konsequent fernbleiben.
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Rolf
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Re: Wehrpflicht bei doppelter Staatsangehörigkeit

Ungelesener Beitrag von Rolf »

Das wirkliche Problem liegt noch ganz woanders - nämlich darin, daß ein Doppelstaatler in Tunesien nur, und zwar ausschließlich, als ein Tunesier gilt. Das erleichtert zwar (und nur) ein potentielles Erben von einem Tunesier, doch es verkompliziert dafür jeden Aufenthalt und jede Polizeikontrolle, ganz besonders, wenn der Betreffende die Sprache nicht spricht - als Tourist hat man in der Praxis da schon einen anderen, besseren, Status in Tunesien.
Einmal ganz von den Kosten des tunesischen Passes abgesehen, der alle 5 (fünf) Jahre neu ausgestellt werden muß (das waren bisher so um die 80 Euro, beim zuständigen tunesischen Konsulat in Deutschland, zukünftig mehr). Wehrdienst und keine Möglichkeit der Namensänderung, z.B. bei einer Heirat, sind da nur weitere Probleme, die entstehen könnten.

Ich kann es daher nur empfehlen, auf die Registrierung in Tunesien zu verzichten.
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